Digitalität ist ein zentrales Zukunftsthema in Politik und Gesellschaft. Die rasant anwachsende Digitalisierung aller Lebensbereiche hat enormen Einfluss auf das gesellschaftliche Zusammenleben. Sie hat zu einer beispiellosen informationellen Vernetzung und einer Demokratisierung des Wissens geführt. Nachrichten sind in Echtzeit global verfügbar, Gruppen organisieren sich national und international über die sozialen Medien, um gemeinsame Ziele zu verfolgen, sich für Rechte einzusetzen und Wissen zu generieren. Die Welt wächst einerseits durch das Wissen übereinander und voneinander enger zusammen, andererseits nehmen Phänomene wie hate speech und Aufrufe zu bzw. Ausübung von Gewalt zu. Die aus der Digitalität erwachsenden Möglichkeiten der Generierung und Vernetzung von Wissensquellen gehen also mit großen Chancen, aber auch mit großer Verantwortung einher.
Zunehmend wird Information über das Individuum durch unterschiedliche Instanzen digital erfasst und führt zu einem schnelleren, effizienteren Zugang zu Information in Bereichen wie Bildung, Politik, Freizeit und Gesundheit. Jedoch verlangt die digitale Speicherung, Vernetzung und Verarbeitung von Daten neben fachlichen und technologischen Kompetenzen auch eine neue Qualität der Verantwortung im Umgang mit diesen Daten. Rechte Dritter müssen respektiert und geschützt werden, sowohl im Sinne des kommerziellen als auch des individuellen Rechtsbedürfnisses der Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Der Umgang mit digitalen Daten erfordert in Gesellschaft und Wissenschaft eine Auseinandersetzung mit Fragen der Privatheit, der Datenhoheit und der Aussagekraft von Auswertungen großer Mengen digitaler Daten. Das große Versprechen von big data und data analytics muss begleitet werden von einer kritischen Reflexion und einem daraus resultierenden sorgsamen Umgang mit digitalen Daten und Technologien auf dem Weg zu einer verantwortlich handelnden Gesellschaft.
Diese Entwicklungen verlangen uns Fertigkeiten und Kenntnisse digitaler Wissensspeicher und ihrer Organisationsformen ab, die bislang noch wenig systematisch in unserem Bildungssystem verankert sind und die Auswirkungen auf viele gesellschaftliche und berufliche Felder haben. Gerade den Digital Humanities kommt hier eine besondere Verantwortung zu. War es seit jeher Aufgabe der Geisteswissenschaften, neue kulturelle Entwicklungen und die hieraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen, Strukturen und Artefakte zu erforschen und zu begleiten, so setzt sich dies in den digitalen Geisteswissenschaften fort. Absolvent*innen der in den vergangenen 10 bis 15 Jahren entstandenen Digital-Humanities-Studiengänge beherrschen einerseits die Prinzipien der Implementierung und Erforschung von Texten und Kommunikationsprozessen aus geisteswissenschaftlicher Perspektive, können aber auch als Mittler und Kommunikatoren zwischen Gesellschaft und Technologie in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen fungieren. Hieraus resultieren hochrelevante neue Karrierechancen für Absolvent*innen mit Kenntnissen im Bereich der Digitalität und an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Technologie, zwischen Produkten menschlicher Kommunikation und den Erfordernissen der Digitalität.
Diese Rubrik, die auf einer Vorlesung des Instituts für Sprach- und Literaturwissenschaft der TU Darmstadt unter dem Titel „Berufsperspektiven in den Digital Humanities“ beruht, die sich mit einem Überblick über Gegenstände, Methoden und Forschungsprojekte der digitalen Geisteswissenschaften, besonders der digitalen Philologien befasst und diese in Beziehung zu sich entwickelnden Berufsfeldern in unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel Universität, Schule, Industrie, Bibliotheken und anderen Kulturinstitutionen setzt. In Interviews und Gastvorträgen kommen Expert*innen aus beruflichen Kontexten digitaler Geisteswissenschaftler*innen im Programm der Vorlesung zu Wort. Sie reichern diese mit Beispielen aus der Praxis an und eröffnen auf diesem Wege Einblicke in mögliche Berufsfelder praxisnah .
Um dieses Angebot dauerhaft und über die einzelne Vorlesung hinaus vorhalten zu können, stellen wir auf diesen Seiten die beruflichen Perspektiven der Digital Humanities anhand der Berufsprofile von Kolleg*innen aus und in den Digital Humanities virtuell vor.
Viel Spaß bei der Lektüre und beim Zuhören, beim Nachlesen und Kennenlernen unserer Kolleg*innen, die die Digital Humanities zu ihrem Beruf gemacht haben.
Jan Horstmann, Geschäftsführer des BMBF-geförderten Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW) in der Klassik Stiftung Weimar und Leiter des Digitalen Labors
Anna Neubert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Teilprojekt INF: „Dateninfrastruktur und Digital Humanities“ des SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens“ an der Universität Bielefeld (Projektleitung: Silke Schwandt)
Anna-Lena Körfer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung und im Projekt „Humanist Computer Interaction auf dem Prüfstand“
Christian Thomas, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Akademienvorhaben „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Franziska Horn, Datenmanagerin beim Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB), Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels (MVB) GmbH, Frankfurt am Main
Anne Klammt, Forschungsleiterin, Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris
Ruth Reiche, freischaffende Künstlerin, Illustratorin, Buchautorin und Kunstwissenschaftlerin, www.kunstnerd.de
Nicole Fuchs, Wissenschaftliche Referentin im Bereich Forschungsförderung
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